WHERE WHEN WHAT WHY, 8.6.2014

»Was den Bau nach oben geführt hat, ist der menschliche Wille, was ihm sein jetziges Aussehen gibt, ist die mechanische, nach unten ziehende, zernagende und zertrümmernde Naturgewalt«. Ruinen betrachten wir nicht mehr, wie in der Romantik empfunden, als durch Naturgewalten entstanden. Ruinen haben seit damals ihren ästhetischen Sinn verloren. Denn Ruinen sind auch die vom Krieg zerstörten bekannten monumentalen Gebäude, St. Alban in Köln, die Gedächtniskirche in Berlin, die Frauenkirche in Dresden, der Darul-Aman-Palast in Kabul, die Brückenköpfe von Remagen, das Holiday Inn in Beirut, und ganze Dörfer sind auf dem Grund einer Talsperre verschwunden und durch den Abbau von Bodenschätzen beseitigt worden. Deren Anschauung ist nicht erhaben, sie ist mindestens verstörend. Es sind auch nur Bruchstücke einer viel größeren Zertrümmerung. Sie hat Städte und vor allem Menschen ausgelöscht. Strategen bereiten ein Trümmerfeld, andere versuchen die entstandene Traumatisierung zu vermitteln. Berechnung, Kalkül, Methode, Spekulation versetzen die Bewohner der Gebäude in Schock und Panik. Der Anblick eines zerstörten, verlassenen Hauses löst Erinnerungen aus; diese sind aber nicht romantisch, auch wenn sie auf Vergangenes verweisen, sie sind jetzt nur noch traurig und nicht mehr tragisch. Je kleiner die Häuser, die verlassen werden mussten und verfallen, desto unscheinbarer die Betroffenheit. Der Staub, der bei der Zerstörung und dem Verfall von Häusern und Gebäuden entsteht, schafft für kurze Zeit eine Staubglocke über der Geschichte. Kurz sind darin fotogenische Zeichnungen zu sehen, detailreich, wo sich der Schatten durch Licht vom Staub trennt. Für einen Moment stehe ich vor den Maßstab nicht sprengenden Größenverhältnissen, und einen Augenblick dauert eine Identitätsspaltung zwischen der Erinnerung an Keller, Treppen, Fenster, Speicher und der Vertreibung an. Wind und Sonne verdrängen die Empfindlichkeit schnell. Die Fotografie beschleunigt das Vergessen, sie dokumentiert, archiviert, konserviert. Ich gehe weiter, solange es noch hell ist. Nur tagsüber gibt es eine an der Realität gemessene Reflexion. Gleichzeitig überblendet der Lärm auf den Baustellen und das Getöse auf den Straßen das Bewusstsein. Die Fotografie löst Effekte für den Wachzustand aus.