PAPERWORK &

In einem Text, im Jahr 2009 verfasst für die Publikation Finanz Zeit* schreibt Holger Otten: „Anlass und Überlegung zu den Arbeiten Papier von Doris Frohnapfel waren historische Fotografien vom internationalen Börsenparkett. Hier ließen einst die Händler die Zettel ihrer Aktienverkäufe wahllos fallen, so dass sich der Boden im Laufe der Zeit je nach Börsenaktivität mal mehr und mal weniger füllte. Was im Sinne Marx abstrakt ist – der Wert hinter dem Papier – erscheint auf dem Parkett ganz gegenständlich. Was auf den Börsenfotos gegenständlich ist, wird in Frohnapfels Collagen und Fotogrammen wieder abstrakt. Die Künstlerin reinszenierte das Flattern der Zettel, fotografierte es, um schließlich nach dieser Vorlage neue Kompositionen zu finden. Dieses Verwirrspiel von Gegenständlichkeit und Abstraktion kann als Sinnbild ökonomischer Ohnmacht gelesen werden. Doris Frohnapfel begegnet dieser Verwirrung mit einem künstlerischen Statement: Jede Kunst ist abstrakt und doch nicht ohne Gegenstand. Schließlich gehe man nicht von einem Nichts aus.“ Im großen Raum der Galerie b2_ werden verschiedene Varianten und Formate zu „Papier“ gezeigt. Die großen Papierarbeiten beziehen sich auf eine Räumlichkeit des vorne und hinten bzw. oben und unten, enthalten sich aber einer eindeutigen geometrischen Perspektive. Die weißen Papierschnitte auf schwarzem Karton bieten an sich schon einen Vergleich mit den übrigen schwarzweißen (Ab-) Drucken und Formulierungen an. Zur Betonung der Komplexität des künstlerischen Vorgehens entstand Anfang 2011 eine Kopie der Papierarbeit „Parkett/Floor Nr. 1“ mit dem Titel „Parkett/Floor Nr. 1b“, die hier erstmalig gezeigt wird. Im Ausstellungsraum lässt sich die Analogie nur – oder nahezu nicht – über die Distanz der sich gegenüberliegenden Wände erfassen. Ebenso vom Konzept der Kopie, des Abdruckes oder der Nachbildung abgeleitet, wurde bereits 2009 eine Serie von kleinen Fotogrammen (FG 01-25) hergestellt. Das Fotogramm, eine direkte Belichtung von lichtempfindlichen Materialien wie Film oder Fotopapier (ohne Kamera) ausgeführt – bekannt als Vorläufer der Fotografie und in der Regel ein Unikat, der Monotypie bei den grafischen Techniken vergleichbar, im Gegensatz zur technischen Vervielfältigung der analogen und digitalen Fotografie – erfährt in der neuen Serie (FG 26-39) von 2011 eine weitere serielle Umgestaltung. Die, im analogen Schwarzweißlabor erzeugten, Fotogramme erhalten eine manuell hergestellte Papier-Kopie als Gegenstück – weiße Papierschnitte auf schwarzen Passepartoutkarton. Würde der eine Fall als eine Auseinandersetzung mit dem Wert des Geldes als Papierwert usw. gelesen, könnte der andere dem Verhältnis des Wertes von Original und Kopie nachgehen.

*Die Finanz Zeit (Hrsg. von Galerie M29 Richter & Brückner, 2009) versammelt kurze Artikel zu den Themen Papier, Schwarzmarkt, Kapital, Spiel, Geld, Tauschhandel von Babette Richter, Karl Marx, Holger Otten, Emile Zola u.a.